Erschienen am 2005-10-14 in Jessen, 121 Zeilen von Irina Steinmann.
Rahnsdorf/MZ. El Watib war der Erste, und das weiß er bis heute sehr genau. Neugierig spitzt er die Ohren, wenn seine Besitzerinnen liebevoll von seinen Macken erzählen. Am liebsten fressen, ganz viel fressen. Und „schauspielern“. Der Vollblutaraber-Wallach kam 1994 als Einjähriger zu uns. Die beiden promovierten Psychoanalytikerinnen und -therapeutinnen wollten ein Reitpferd haben, was zwar kein Allerwelts-Hobby ist, jedoch auch kein ausgesprochen ungewöhnliches. Aber dabei blieb es nicht. „Irgendwann“, erinnern sie sich, „sollte es ein zweites Pferd sein.“ Ein Hengst, dem Hengst folgte eine Stute. Irgendwann wurde dann auch noch ein Gestüt aufgelöst. Ein Schnäppchen, das sich die Berlinerinnen nicht entgehen ließen . . .
Heute jedenfalls sind es neun Pferde, die sich auf dem Hof tummeln. 2003 sind die Großstädterinnen aufs Land gezogen, nach Rahnsdorf, einem ländlichen Stadtteil von Zahna am Rand des Flämings. „Hoher Fläming“ haben sie ihr Gestüt genannt, auf dem sie Hobby und Beruf – aber wahrscheinlich lässt sich das gar nicht immer so haarklein auseinander halten – miteinander verbinden.
Spiegel der Seele
Denn die beiden Expertinnen in Seelendingen züchten dort nicht nur die wertvollen Vollblutaraber -in diesem Jahr kamen in der Lindenstraße 23 zwei Hengste zur Welt – sondern setzen sie auch in der Therapie ein, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Pferde eigneten sich hervorragend dafür, weil „man sie nicht beschwindeln kann“, sondern im Gegenteil „sehr klar mit ihnen kommunizieren muss“. Das Pferd fungiert, wenn man so will, als „Spiegel der Seele“ des Patienten. Gerade kontaktgestörte, sozial auffällige oder auch ängstliche Kinder würden vom Umgang mit diesen – großen – Tieren profitieren. Als ein konkretes Beispiel wird das volkstümlich so genannte Zappelphilipp-Syndrom (Hyperkinetisches Syndrom) benannt. Hier könne der Kontakt die Unruhe des Kindes – die sich zunächst auf das Pferd übertrage – letztlich lindern helfen.
Aber auch Erwachsene, Führungskräfte zumal, können, davon sind die beiden Frauen überzeugt, etwas lernen am Pferd: „Klarheit im eigenen Verhalten und Denken“, Eindeutigkeit in der Kommunikation („Man kann ein Pferd nicht bequatschen“), Teamarbeit. Noch befindet sich das Angebot im Aufbau, noch kommen Patienten und Kunden ausschließlich aus Berlin, aber das muss, finden die beiden Frauen, ja nicht so bleiben.
Tierschutz anerkannt
Kürzlich ist immerhin schon das sachsen-anhaltische Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt auf das Gestüt „Hoher Fläming“ aufmerksam geworden. In der vergangenen Woche gab es eine Anerkennungsurkunde von Ministerin Petra Wernicke (CDU). Bekommen aber haben die beiden Frauen diese Auszeichnung, übrigens nicht ihre erste, für ihre Bemühungen im Tierschutz. Vor allem deshalb, weil El Watib und seine Artgenossen nicht in Boxen, sondern in einem so genannten Offenstall gehalten werden mit „großzügig angelegten Paddocks“ (Auslaufflächen), wie es in der Begründung heißt.
Die Pferde sind indes nicht die einzigen Tiere auf dem Hof mitten in Rahnsdorf. Die beiden Frauen haben sich auch dem Artenschutz verschrieben. Deshalb spazieren dort flauschige Lachshühner herum, eine, so die Frauen, „vom Aussterben bedrohte“ Spezies, und deshalb wacht dort auch nicht irgendein Hund, sondern ein weißer „Deutscher Großspitz“. Ein Tier mit ausgesprochen „schlechtem Ruf“, welcher möglicherweise auch für das fast vollständige Verschwinden des früher auf nahezu jedem Bauernhof anzutreffenden Hundes verantwortlich war. In Rahnsdorf aber soll die Hündin im nächsten Jahr Junge bekommen.
Wer sich für die Angebote des Rahnsdorfer Gestüts „Hoher Fläming“ interessiert, kann über Pferdewirtin Sabrina Jacobasch Kontakt aufnehmen, Telefon 0176-24732140, oder unter www.ox-araber-hoher-flaeming.de nachsehen.